Lutzmannsburger Dorfspaziergang

von | Mrz 20, 2019 | Archiv

Evanelische Pfarrkirche / Foto: Tesch

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Typische und Schöne oft ganz nah liegt? Wer Abwechslung sucht und ein paar Stunden Zeit dafür hat, der könnte nach Lutzmannsburg fahren. Hans Tesch empfiehlt – in Wort und Bild – einen Spaziergang im schönsten Dorfambiente des Mittelburgenlandes.

Es ist Dorfidylle pur. Entzückende Straßenfronten, farbenfrohe Fassaden, ein sympathisches Ortsbild. Gut erhaltene Ensembles von typischen Haken-, Streck- und Bauernhöfen mit querstehendem Wohnraum straßenseitig. Einfache Putzfassaden neben aufwändig dekorierten. Auffällig sind bei manchen Vorderseiten Applikationen und profilierte Fensterfaschen. Viele historische Fassaden sind gut erhalten, einige wahrscheinlich nach alten Vorlagen erneuert. Häuser mit Dreiecksgiebel sind charakteristisch, nur vereinzelt trifft man auch auf spätbarocke Giebelhäuser. Ein Blickfang beim Dorfrundgang ist immer wieder ein hölzernes Einfahrtstor: einfärbig, dezent mehrfärbig, oft mit Oberlichten. Tore, die sich für Ansichtskarten eignen.

Lauben und Arkaden

Viele Gebäude wurden straßenseitig umgebaut, aber die historische Substanz ist erhalten geblieben – die Lauben und vielteiligen Arkadengredn wurden belassen. Zur Erläuterung: Die Gredn bezeichnet im Mittelburgenland den etwa einen Meter breiten Weg, der im Hof an der Hausmauer entlang unter Dach nach hinten führt. Gredn mit schlanken Rundpfeilern sind zu sehen, aber auch welche mit achtseitigen Pfeilern. Die Arkaden sind Rundbögen und Korb­bögen, manchmal mit glatten Brüstungen. Oft sind die alten Streckhöfe hinter einem Neubau versteckt, deshalb sind die Arkaden bei dem einen oder anderen Haus weit hinten im Hof zu sehen. Die fehlenden Haustore ermöglichen es dem Spaziergänger, einen Blick in den Hof zu werfen!

Apropos Blick: Wer gassenseitig genau schaut, wird feststellen, dass einige Häuser so an die Baulinie gerückt sind, dass sich noch ein Fenster einbauen lässt, durch das die Bewohner praktisch um die Ecke schauen können.

Traditionelle Maurerkunst

Warum eine solche Dichte an typischen Bauten in Lutzmannsburg? Die Historiker wissen es zu deuten: Die Verbindung von Handwerk und Weinbau gilt als charakteristisch für die großen historischen Weinbaustädte wie Wiener Neustadt oder Ödenburg – und eben auch für Lutzmannsburg.Im Winter, während die Arbeit im Weingarten ruht, wird das Handwerk ausgeübt, im Sommer die Arbeiten im Weingarten und Keller. Die Lutzmannsburger Bauernhäuser sind – laut Festschrift der Marktgemeinde – solche „Musterbeispiele einer versunkenen Handwerksgesinnung, die sich bemühte, Zweckmäßigkeit mit Formenschönheit sinnvoll zu kombinieren“. Die typischen Lutzmannsburger Streckhöfe mit den Arkadengängen gelten als „Denkmäler der Lutzmannsburger Maurerkunst“. 

Es gibt viele besondere Fassaden. Das Haus Hauptstraße 87, das als „Weinbeerhaus“ bezeichnet wird, hat eine solche. Die Denkmalforscher des Bundesdenkmalamtes beschreiben es als einen Bauernhof, der zu einem Wohnhaus mit kleinstädtischem Charakter umgestaltet wurde. Auffällig sei das Fassadendekor in spätsezessionistischen Formen, v. a. mit applizierten Keramikmotiven.

Die Bezeichnung „Weinbeerhaus“ stammt vom schmalen Streifen unter dem Sims: Bei genauem Hinsehen erkennt man realistisch geformte blau-grüne Weinreben. „1930“ steht über dem Tor, das Haus ist also fast 90 Jahre alt. Andere Häuser tragen Jahreszahlen, die weit länger zurückweisen.

Lutzmannsburg war politisches Zentrum

Lutzmannsburg war vor 800 bis 900 Jahren Sitz einer sogenannten Komitatsburg. Es war ein politisches Zentrum dieses ungarischen Komitats, und wahrscheinlich stammt daher die Landgerichtsbarkeit mit dem Pranger. Lutzmannsburg ist der älteste Marktort des Burgenlandes. Seit mehr als 850 Jahren findet mitten im Ort ein Krämermarkt statt. Vor kurzem ist auch ein Slow-Food-Markt dazu gekommen.

Der Dorfanger, wie er sich jetzt präsentiert, wurde vor etwa 200 Jahren neu angelegt, nach Überschwemmungen im niedriger gelegenen, bebauten Ortsteil an der Rabnitz. Es ist ein breiter, ausladender Dorfanger mit alten Bäumen, der schon einmal zum schönsten Dorfplatz des Burgenlandes gewählt wurde.

Der Ort selbst hat darüber hinaus mehrmals den landesweiten Blumenschmuckwettbewerb gewonnen. Im Sommer kann man hier im Schatten verweilen und bei den Wein-Veranstaltungen Weine verkosten oder bis Mitternacht den „Blauen Montag“ feiern.Fast das ganze Jahr über laden Weinbauernhöfe Gäste und Urlauber ein – zum Hineinschauen und zum Verkosten. Ein Atelier einer bekannten Keramikerin bietet Souvenirs an – und auch Vasen und Gläser, Flaschen und Gefäße für Haus und Vorgarten. In den Gasthäusern kann man sich stärken.

Dorfanger mit Kirche

Dominant mitten im Ort – nicht zu übersehen – steht die evangelische Kirche mit dem markanten Turm. Der schlichte, im klassizistischen Stil gehaltene Bau wurde vor 170 Jahren errichtet. Ein Blick hinein lohnt sich. Zu sehen ist ein traditionell westungarisches Kirchenschiff mit flacher Decke, die Empore ist auf drei Seiten über toskanischen Säulen errichtet. 

Ebenso alt wie die Kirche ist der Pranger davor. Er steht auf einem achteckigen Sockel. Der Original-Pranger aus dem Mittelalter dürfte eine Steinsäule gewesen sein. Der Pranger diente für Kundmachungen, das Original auch als Schandpfahl, an den verurteilte Rechtsbrecher gebunden und dem öffentlichen Spott preisgegeben – sprichwörtlich „an den Pranger gestellt“ – wurden.

Einzigartiger Friedhof

Und wer schon einmal in Lutzmannsburg ist, der sollte unbedingt auch auf den „Lutschburger Weinberg“ fahren oder gehen – ein beachtliches Stück durch den Ort und dann 143 Stufen hinauf. Dort oben befindet sich die Vituskirche, die katholische Pfarrkirche, deren Kern aus dem Mittelalter stammt und mehr als 600 Jahre alt ist – und vor 350 Jahren barockisiert wurde. Stellenweise ist sogar noch die Befestigungsanlage mit Wall und Graben zu sehen. Und im Umfeld der Vituskirche befinden sich gleich vier Friedhöfe: der katholische, der evangelische, der historische und der neuartige Parkfriedhof.  In Lutzmannsburg kann man – als Asche in einer verrottbaren Urne – im Park, im Waldstück, im Weingarten, im Obstgarten und im Rosengarten begraben werden. Die einzigartige Anlage ist äußerst gediegen und sehenswert. Und der Ausblick auf Lutzmannsburg ist nirgendwo schöner.

Lutzmannsburg

Bild von

Evangelisches Gemeindezentrum / Foto: Hans Tesch

Literatur/Quellen: „Die Kunstdenkmäler des Politischen Bezirkes Oberpullendorf“ – Verlag Berger; Festschrift „850 Jahre Lutzmannsburg“; Mag. Oswald Gruber, Historiker

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