Alles im neuen Haus: Gemeindeamt, Restaurant, Arzt-Ordination und Liszt-Bibliothek / Fotos: Tesch (3)
Vier auf einen Streich! Das gelingt den Raidingern mit dem neuen Gemeindezentrum. Große Probleme wie das Wirtshaussterben und der Ärztemangel am Land werden in einem Zug angegangen. Im neuen Gemeindezentrum finden sich das moderne Gemeindeamt, die erste Arzt-Ordination des Ortes, eine einzigartige Liszt-Bibliothek und ein neues Gasthaus. Und das alles mitten im Dorf, vis-à-vis des Liszt-Geburtshauses.
Die ersten Pächter sind schon eingezogen. Der Bürgermeister, die Amtfrau und die Gemeindebediensteten sind seit dem Nationalfeiertag im neuen Gebäude anzutreffen. Sie bieten den 900 Gemeindebürgern Service auf neuestem Stand, von Meldezetteln und Wahlkarten bis zur Heiratsurkunde. „Das alte Gemeindehaus stammte noch aus der Nachkriegszeit und entsprach nicht mehr den heute verlangten Anforderungen einer modernen Gemeindeverwaltung. Der Gemeinderat hat sich deshalb für einen kompakten Neubau entschieden. Und im Zuge dessen wurden gleich notwendige und fehlende Projekte, wie Ordination und Gasthaus, mit verwirklicht“, gibt sich Bürgermeister Markus Landauer selbstbewusst.
Liszt-Bibliothek mit Orgel
Auch die Liszt-Bibliothek des Lisztvereines im Obergeschoß ist schon zugänglich. Die restaurierte historische Liszt-Orgel steht zur Nutzung bereit. Mehr als 1.000 Bücher, Notenmaterial, Tonträger, Fotos und Briefe des weltbekannten Raidingers Franz Liszt sind verstaut. Feierlich eröffnet wird die Bibliothek im kommenden Frühjahr.
In der Gastwirtschaft werden gerade die Bar und die letzten Möbelstücke platziert sowie die Küchengeräte montiert. Laszlo Kovacs, der neue Wirt von Raiding, will in der zweiten Novemberhälfte voll in Betrieb gehen: „Wir werden gute Hausmannskost bieten, dem traditionellen Geschmack entsprechend. Und einige Angebote werden wir ganz nach der Kundschaft ausrichten.“
Café und Wirtshaus
Der 37-jährige gebürtige Ungar, der in Eisenstadt wohnt, freut sich auf den Neustart in Raiding. Er hat bereits am Chiemsee, am Bodensee, in der Schweiz und in Vorarlberg gearbeitet sowie in einem 5-Sterne-Hotel in Saalbach-Hinterglemm. Bis vor wenigen Wochen hat er ein traditionelles Hotel-Restaurant in Wien-Meidling mit sieben Angestellten geführt. In Raiding werden ein Koch, ein Kellner, er selbst und seine Frau Nikolett im Einsatz sein.
Im modernen Ambiente, das er selbst konzipiert und finanziert hat, will er seine Ideen verwirklichen: „Wir möchten den Gästen eine gepflegte Atmosphäre bieten und mit persönlicher Ansprache und Freundlichkeit punkten.“ Laszlo Kovacs will für alle Gäste ein Angebot parat haben: „Es wird eine Kaffee-Ecke mit Mehlspeisen und einer selbst gemachten Spezialität geben. Im Restaurant werden Tafelspitz und Schweinsbraten ebenso angeboten wie Kreationen des engagierten Kochs. Es werden Weine aus der Region ausgeschenkt. Und ein Holztisch für die Kartenspieler wird eine Wirtshausstimmung aufkommen lassen.“
„Liszt am Bach“
Am Namen für sein Lokal hat er lange getüftelt, geworden ist es „Liszt am Bach. Restaurant – Weinbar – Café“. Der Name deutet schon an, wo sich der neue Gastronom viel erwartet. „Ich werde auch das Catering für das Liszt-Festival übernehmen. Die Konzertbesucher werde ich vor und nach dem Konzert zu mir ins Lokal einladen. Und als Besonderheit wird es ein Menü aus Liszt-Spezialitäten geben“, sagt Laszlo Kovacs.
60 Sitzplätze werden den Gästen im Restaurant zur Verfügung stehen – neben den Stehplätzen an der Bar und dem attraktiven Außenbereich. Alle Plätze mit Blick auf das historische Liszt-Geburtshaus.
Raiding bekommt Arzt-Ordination
„Es ist uns gelungen, die Kassenstelle für den Allgemeinmediziner nach Raiding zu transferieren“, freut sich Bürgermeister Markus Landauer nach den anstrengenden Verhandlungen. Nun wird die Arztstelle – nach drei erfolglosen Versuchen – ein viertes Mal ausgeschrieben. „Wir sind in Verhandlung mit einem jungen Mediziner, der gerade die Zusatzausbildung zum Allgemeinmediziner absolviert. Dieser könnte Mitte des nächsten Jahres in der neuen Ordination starten“, gibt sich Landauer zuversichtlich.
Genossenschaft finanziert
Errichtet wird das – vom Neusiedler Architekturbüro Halbritter & Hillerbrand geplante – Gemeindezentrum von der OSG, der Oberwarter Siedlungsgenossenschaft. Sie hat auf Gemeindegrund gebaut und sorgt für Wände, Decke und den Boden. Die OSG wird dafür 2,6 Millionen Euro investieren. Für die jeweilige Einrichtung müssen die vier Nutzer selbst aufkommen, zusätzlich sind die monatlichen Leasingraten an die OSG zu zahlen. Nach 25 Jahren gehört der Bau der Gemeinde.
Gästezimmer, Parkplätze und Nahversorger in Planung
Mit dem Gemeindezentrum und dem neu gestalteten Franz-Liszt-Platz davor gibt sich Raiding aber nicht zufrieden. Der Bürgermeister hat den Chef der OSG, Alfred Kollar, dazu angeregt, eine ehemalige Bäckerei vis-à-vis des Zentrums zu erwerben. Diese wird – wie die anderen Gebäude der Liegenschaft – abgerissen. Auf diesem Platz werden Parkplätze geschaffen. Und die OSG überlegt, Gästezimmer – die in Raiding seit langem fehlen – zu errichten. Wobei im Gebäude ein Nahversorger untergebracht werden soll. Im Gespräch ist ein kleiner ADEG-Markt.
Ungeachtet dessen geht die rege Bautätigkeit im Ort weiter: Gerade werden fünf Wohnungen fertiggestellt, von denen nur noch eine zu haben ist. Und in zwei Ausbaustufen werden in Zentrumsnähe insgesamt 14 Reihenhäuser errichtet.
„Positive Entwicklung“
„Ein Wirtshaus sperrt auf, und bald kommt ein Doktor!“ Das hört man freudig in der Raidinger Bevölkerung. Und der Bürgermeister, der die Projekte initiiert und durchgezogen hat, blickt stolz auf das Erreichte: „Das Gemeindezentrum ist der mit Abstand größte Entwicklungsschritt in unserer Gemeinde. Raiding könnte als Paradebeispiel für eine positive Dorfentwicklung stehen. Es ist gelungen, ein starkes Dorfzentrum zu schaffen – mit Gasthaus und Arzt-Ordination. Und das in nicht einmal fünf Jahren!“
Fast wie Weihnachten: Raiding bekommt, was allen im Dorf gefehlt hat – und was sich manche für den Liszt-Geburtsort gewünscht haben.