Bio-Region: Interview

von | Jun 19, 2019 | Archiv

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Interview mit Landeshauptmann des Burgenlandes Mag. Hans Peter Doskozil und Präsident der Landwirtschaftskammer Burgenland DI Nikolaus Berlakovich

Mag. Hans Peter Doskozil - Landesmedienservice Burgenland
Mag. Hans Peter Doskozil
Foto: Landesmedienservice Burgenland

Herr Landeshauptmann, „100 % bio“ ist ein hehres Ansinnen. Mit welchem Prozentsatz wäre für Sie diese Vision praktisch erfüllt?

Wenn man etwas erreichen will, muss man sich sehr hohe Ziele stecken. Wir haben im Burgenland mit 31 Prozent aktuell den zweithöchsten Bio-Anteil nach Salzburg und gehen davon aus, dass die 50 Prozent bei entsprechenden Anreizen bis zum Ende der kommenden GAP-Periode 2027 (Anm.: Gemeinsame Agrarpolitik; Politikbereich der EU) durchaus realistisch sind. Auf lange Sicht gesehen kann nur 100 % bio der Anspruch sein, denn gesunde Böden und gesunde Nahrungsmittel sind nicht nur ein Gebot der Stunde, sondern viel mehr ein Auftrag für die Politik, dies für die nachfolgenden Generationen sicherzustellen.

Nach wie vielen Jahren wollen Sie die Bio-Wende geschafft haben? Mit welcher Bio-Quote sind Sie in 5 Jahren zufrieden?

Die Biowende als solche im Burgenland ist an kein Enddatum geknüpft. Vielmehr soll dies ein immer währender Prozess im Sinne der Nachhaltigkeit sein, dass die Bio-Quote sich auch nach fünf Jahren weiterhin steigert. Ein Anteil von 40 % in fünf Jahren und von 50 % bis zum Ende der kommenden Agrarförderperiode ist unser erklärtes Ziel.

Wo sehen Sie Hürden für die Bio-​Wende bzw. wo erwarten Sie Hilfestellungen? 

Es wird sicher notwendig sein, sich am Markt zu orientieren. Ich sehe eine solche Sättigung aber momentan nicht. Im Lebensmittelhandel sind wir generell erst bei zehn Prozent Bio-Ware. Es ist also noch Luft nach oben. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, werden wir das Landhausbuffet, die Landhausküche und alle landesnahen Unternehmen Schritt für Schritt auf bio umstellen. Bis 2024 soll auch das Essen in Schulen und Kindergärten zu hundert Prozent umgestellt werden. Diese und viele weitere Maßnahmen, die wir setzen, gehen in den Bereich der Bewusstseinsbildung. Wir haben aus meiner Sicht das Ziel bei Weitem nicht erreicht, wenn der- oder dieselbe KonsumentIn im Supermarkt zum 1-Euro-Chlorhuhn greift, aber fünf Minuten später seinem Auto einen Liter Motoröl um 60 Euro gönnt. Da ist noch viel Luft nach oben, und diesen Bereich werden wir ganz konzentriert bespielen.

Planen Sie weitere Landesförderungen als Hilfe oder Anreiz für den Umstieg?

In den Gesprächen, die ich führe, erkenne ich durchaus die ungebrochene Bereitschaft, auf bio umzusteigen. Daher wollen wir die Übergangszeit, in der keine EU-Förderungen zur Verfügung stehen, überbrücken und haben eine Bio-Umstiegsförderung von 15.000 Euro pro Betrieb präsentiert. Diese wird ab Juli zur Verfügung stehen. Für einen größeren Betrieb wird das vielleicht nicht der große Anreiz sein. Wir glauben aber, dass wir kleinere und mittlere Betriebe damit erreichen können.


Präsident Berlakovich © Bgld. Landwirtschaftskammer_Leitgeb
DI Nikolaus Berlakovich
Foto: Leitgeb

Herr Präsident, wo sehen Sie das Burgenland derzeit auf dem Weg zum Bioland?

Das Burgenland ist bereits jetzt Bio­spitzenreiter in Österreich. Schon seit Jahrzehnten berät und unterstützt die Landwirtschaftskammer Burgenland unsere Biobetriebe. Bereits mehr als ein Drittel der Ackerfläche wird im Burgenland biologisch bewirtschaftet. Die Bioflächen steigen kontinuierlich.

Kann sich die LK mit dem politischen Ziel „100 % bio“ identifizieren? Hat man sich schon angefreundet?

Die LK ist bereit, den Bioweg, wie im Landesvertrag vereinbart, gemeinsam zu gehen. Zwangsmaßnahmen lehnen wir jedoch ab. 100 % kann auch nicht von heute auf morgen geschehen und muss mit den Märkten wachsen. Uns ist wichtig, dass niemand zurückgelassen wird. Alle Kammermitglieder haben das Recht auf Beratung. Die Entscheidung zur biologischen Produktion liegt allein beim Bauern und kann nicht erzwungen werden. Nur mehr Bioställe zu genehmigen ist schwerwiegend, da das Burgenland im Fleischbereich nicht einmal eine 50-prozentige Selbstversorgung hat. Außerdem würde es zu einer massiven Ungleichbehandlung unserer Bauern führen.

Wie – konkret – unterstützt die LK die Bestrebungen der Regierung, die Bio-Wende zu schaffen?

Bereits seit den 80er-Jahren beraten wir als Landwirtschaftskammer Bauern in Richtung bio. Unsere Mitarbeiter sind Pioniere auf dem Gebiet dieser Beratung. Laufende Kurse und Weiterbildungsmaßnahmen stehen bei uns genauso am Programm wie Versuche, Exkursionen und Einzelberatungen.

Darüber hinaus hat die Landwirtschaftskammer konkrete Ideen entwickelt, die sich im Bioaktionsprogramm der Landwirtschaftskammer wiederfinden. So soll unter anderem durch Biomodellgemeinden und Biomodellschulen eine Informationsoffensive gestartet werden. Bio muss in den Köpfen der Konsumenten stattfinden. Das Bioland Burgenland allein auf die Landwirtschaft zu reduzieren ist zu kurz gegriffen.

„100 % bio“ ist ein hehres Ansinnen. Ist das zu schaffen? Welcher Prozentsatz wäre für Sie realistischer?

Bereits jetzt produzieren wir im Burgenland, aber auch in Österreich mehr Bioprodukte als im Inland nachgefragt werden. Wenn die Bioprodukte auf den Märkten nicht verkauft werden können, schadet das den Biobauern. Andererseits müssten wir konventionelle Produkte aus dem Ausland importieren. Regionale Lebensmittel sind wichtig, auch wegen der kurzen Transportwege. Daher ist die regionale Versorgung mit Lebensmitteln ein vorrangiges Ziel. Dies hat auch die Umfrage der Landesregierung ergeben. Demnach wünschen sich 95 % der Befragten mehr regionale Lebensmittel im Handel.

Nach wie vielen Jahren könnte eine Bio-Wende geschafft sein? Mit welcher Bio-Quote rechnen Sie in 5 Jahren? Mit einer Verdoppelung von heute?

Dies hängt bei den Lebensmitteln wie bereits erwähnt ganz vom Markt und von der Nachfrage der Konsumenten ab. Die Konsumenten beeinflussen mit ihrem Lebensmitteleinkauf, in welche Richtung sich die Landwirtschaft entwickelt. Je mehr Biolebensmittel gekauft werden, desto schneller wird sich bio entwickeln. Die Bio-Wende muss man aber weit über den landwirtschaftlichen Bereich sehen. Es geht um eine Bewusstseins- und Verhaltensänderung in allen Lebensbereichen. Beispielsweise sind Putzmittel und Kosmetik dabei genauso zu hinterfragen wie Mobilität, Energie und Bodenversiegelung.

Wo sehen Sie Hürden für die Bio-Wende, bzw. wo und wodurch erwarten Sie große Fortschritte in diese Richtung?

Der Klimawandel stellt alle Bauern vor neue Herausforderungen. Hier ist die Wissenschaft gefordert, durch neue Sorten und neue Wirkstoffe eine Versorgungssicherheit zu ermöglichen. Eine weitere Herausforderung ist der Markt. Auch der Markt muss den Biobauern kostendeckende Preise gewähren.

Halten Sie weitere Landesförderungen oder anderweitige Unterstützungen als Hilfe oder Anreiz für den Umstieg für nötig? Welche wären nützlich?

Biologische Bewirtschaftung soll aus eigenem Antrieb entstehen und nicht nur aufgrund von Fördergeldern gemacht werden. Eine Umstiegsförderung ist prinzipiell zu begrüßen. Diese muss aber durch Richtlinien einen möglichst effektiven Einsatz der Fördergelder ermöglichen.

Die größte Hilfe wäre aber, die Nachfrage für Bioprodukte zu erhöhen (z. B. Landesküchen) und damit den Absatz und die Preise zu sichern.


Die Interview-Fragen wurden von Hans Tesch schriftlich übermittelt. Die Antworten werden ungekürzt wieder­gegeben.

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